Filmprojekt ,,Schwechat im Krieg"

Die Kinder von damals – hier bei einem Aufmarsch der Hitlerjugend – sind heute die letzten Zeitzeugen.

©Stadtgemeinde Schwechat

Es wird dunkel im Speisesaal des Seniorenzentrums. Die Anwesenden konzentrieren sich auf die Leinwand an der Frontseite des Raumes – der Film „Leben im Krieg / Mannswörtherinnen und Mannswörther von 1938 bis 1945“ beginnt. Zunächst mit Stimmen aus dem Off, dann folgen die ersten Bilder. Es sind Bilder von Freund:innen und Bekannten der Anwesenden aus Mannswörth, die ihre Geschichte erzählen. Von den Zeiten damals, von der Arbeitslosigkeit, von den deutschen Soldaten, von Blitzsiegen und schließlich vom Untergang ihrer Welt. Es werden Geschichten erzählt, die den Zuseher:innen nur allzu bekannt sind, die sie selbst in ihrer Jugend erlebt haben und die sie bis an ihr Lebensende nicht mehr loslassen. Es sind Geschichten vom Krieg.

Die Kinder von damals – hier bei einem Aufmarsch der Hitlerjugend – sind heute die letzten Zeitzeugen.Ein Bild vom Einsatz der „Trümmerfrauen“, die die Bombenschäden beseitigten.Fortsetzung folgt in Kürze
Der Film wurde vor zehn Jahren von Mag. Nikolaus Franz und seinem Team erarbeitet. In Form von Interviews mit Betroffenen und historischen Aufnahmen wurde die Geschichte nach- und aufgezeichnet. Franz: „Im Jahr 2019 wird dieses Projekt fortgesetzt. Geografisch erweitern wir nun unsere Perspektive auf Schwechat und seine nähere Umgebung und versuchen dabei, die Geschichte des Krieges sowohl anhand der Erzählungen von Zeitzeug:innen als auch an heute gut bekannten Orten und Plätzen zu rekonstruieren.“ Das Projekt wird von der Stadtgemeinde Schwechat gefördert, zudem haben die Filmemacher:innen Zugang zum historischen Archiv der Gemeinde. Die Industriestadt Schwechat wird so in den Blickpunkt gerückt, denn ihr Schicksal in den Kriegsjahren steht für viele österreichische Orte. An der Entwicklung der Stadt vom Zeitpunkt des „Anschlusses“ bis zum Kriegsende werden die ideologischen Ziele und Zusammenhänge der NS-Kriegsmaschinerie exemplarisch nachgezeichnet und sichtbar gemacht. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist gut gewählt: Im September 2019 jährt sich der Ausbruch des 2. Weltkrieges zum 80. Mal. Spätestens dann wird der Film fertig sein. Warum ein Film und kein Buch? Franz: „Dahinter steht der Gedanke, Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen. Das Projekt richtet sich nicht nur an historisch Interessierte, sondern soll zB. auch Schulen und andere Institutionen erreichen. Da erschien uns des Medium ‚Film’ geeignet.“

Geschichte wird verortet
Stärker noch als beim ersten Film wird in „Schwechat im Krieg“ (Arbeitstitel) die Geschichte verortet. So erfahren Menschen, welche Schicksale damals Einheimischen, Soldaten, Zwangsarbeiter:innen und KZ-Insass:innen an bestimmten Plätzen widerfahren sind. Denn – auch diese Dimension ist neu –: Durch den Zugriff auf internationale Datenbanken versuchen die Macher:innen des Films auch jenen Menschen eine Stimme zu geben, die unter grauenhaften Bedingungen in Schwechat und Umgebung zur Arbeit gezwungen wurden. Da wird der Ort, an dem man heute lebt oder arbeitet, zum Schauplatz unglaublicher Lebensgeschichten in Lagern und Zwangsarbeitsstätten. Franz: „Und wenn Menschen Geschichten erzählen, ergeben sich daraus neue Geschichten. Das macht unsere Arbeit nicht einfacher, aber unglaublich interessant.“ So wird Weltgeschichte, festgemacht an lokalen Bezugspunkten, erzählt. „Damit wird auch für entfernt lebende Menschen eine sinnerzeugende Wirkung erzielt und vielleicht dazu beigetragen, diese Weltgeschichte fassbarer zu machen“, so der Initiator des Films.
Der Einzug der Roten Armee in SchwechatDer Einzug der Roten Armee in Schwechat
Interviewpartner:innen vor der Kamera
Zurzeit finden die Interviews vor der Kamera statt. „Das war auch ein Grund für die kürzlich stattgefundene Vorführung von ‚Leben im Krieg’ im Senior:innenzentrum“, so Franz. Da wurde der/die eine oder andere Interviewpartner:in noch gefunden. Denn diese werden heute immer weniger: Wer damals jung war, ist heute alt und blickt auf ein langes Leben zurück. Und ein wesentlicher Bestandteil dieses Lebens war ein Krieg, der 60 Millionen Menschen das Leben gekostet hat und die Existenz jedes/r Einzelnen betraf. Mag. Nikolaus Franz: „Es ist uns deshalb wichtig, die notwendigen Lehren aus den persönlichen Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie dem historischen Geschehen herauszustreichen – nicht zuletzt um damit einer weltweit beobachtbaren Renaissance populistischer Manipulation sowie gesellschaftspolitischer Spaltungsbestrebungen entgegenzutreten.“